„Das ist mein Strom – und du bist grad bei uns zu Gast“, sagt er forsch, kommt näher und dreht den Computer ab. Gerade noch sieht sie, wie sich die Augen des Buben mit Tränenwasser füllen. Dann ist der Bildschirm schwarz.
Ihr Atem wird schwer. Das Herz spürt sie bis zum Hals pochen. Sitzt da und starrt in ihren Computer hinein. Ob da ein neuer Anruf reinkommen würde? Mehrmals klickt sie mit der Maus auf das Anrufen Symbol und überlegt, ob sie selbst nochmals wählen sollte.
Kauert sich in den Sessel und nimmt das Buch zur Hand, aus dem sie vorlesen wollte. Was tun? Ruft er wieder an? Wie geht es ihm bloß? Er wollte das nicht. Er sagte leise, „bitte geh“!
Der dezente Klingelton von Skype unterbricht sie. Er ruft wieder an! – Blitzschnell klickt sie auf das grüne Telefonsymbol für Anruf annehmen: Da ist er wieder. Mit sichtbar feuchten Augen. Rot um Augen und Nase. Seine Wangen fast so weiß wie sein Hemd.
Sie nimmt das Buch zur Hand um daraus vorzulesen: Die Erzählung handelt von einem Buben, der zum fünften Mal versucht, sich bei der Endstation einer Straßenbahn darin zu verstecken, um die Umkehr des Waggons mitzuerleben.
Die Geschichte endet mit: „Ich stieg wieder ein, bezahlte wortlos die Rückfahrt. Als der Schaffner den Waggon abkassiert hatte und sich wieder zum Wagenführer stellte, wurde mir klar, dass ich für die Fahrt auf der Schleife nichts zu bezahlen brauchte. Ich jubelte innerlich: Ich meinte, ich hätte das Geheimnis der Wiederkehr gratis erworben.“
Sie klappt das Buch zu. Sieht zu ihm in den Computer. Ruhig sitzt er da. Müde. Daher verabschieden sich die beiden voneinander.
Es soll für lange Zeit das letzte Mal gewesen sein.